2004: Vom Anpassen III

Irgendwann starb die Akazie und niemand konnte berichten, ob ihr weiteres Leben gut verlief und sie es schaffte, sich selbst zu werden.

Viele Jahre später ging ein Möbelschreiner, weil er auch ein bisschen allein sein wollte, alte Wege durch den Oberrheingraben. Er kam - ob Zufall oder nicht - an dem alten Wegekreuz vorbei. Das Kreuz war mittlerweile mit Efeu völlig umrahmt und die Krüppelakazie, die schon lange tot war, stand vom Efeu umrahmt als Baumstumpf da. Doch der Möbelschreiner mit gekonntem und fachmännischem Blick merkte sofort, dass dieser Baum etwas Besonderes hatte. Er befreite den Baum vom Efeu und siehe da, er erkannte einen wundersamen Baum, der aus mehreren Holzarten bestand. Er kannte so was nicht und dachte: „Ich möchte irgendwann mal Kinder haben – er war gerade auf der Suche nach einer Frau und er fühlte sich alleine. Ich mache aus diesem wunderbaren Holz, was offensichtlich aus mehreren Holzarten besteht, die Wiege für meine Kinder.“ Er lief schnell zurück und holte aus seiner Werkstatt eine Axt, fällte den toten Baum und machte sich ans Werk. Er arbeitete drei Tage und drei Nächte und am Ende hatte er eine wunderschöne Wiege gebaut. Die verschiedenen Holzarten schimmerten von heller Eiche über rötliches Kirschholz bis hin zu dem dunklen Nussbaum. Er war sehr stolz auf seine Arbeit und wusste: „Diese Wiege wird irgendwann mal meine Kinder beherbergen.“ Der Wunsch des Schreiners ging in Erfüllung. Er heiratete eine liebe Frau und zusammen bekamen sie sieben Kinder. Vor seinem Tode vererbte er diese Wiege an seine älteste Tochter, die gerade schwanger war. Da sagte er: „Dies ist eine besondere Wiege. Ich habe sie gebaut, da seid Ihr noch nicht mal auf der Welt gewesen. Versorge sie gut. Gib sie Deinen Kindern weiter, so dass sie unserer Familie lange Glück bringt.“ Die Wiege schützte jahrhundertelang die Nachfolgen des Möbelschreinermeisters und irgendwo steht sie heute immer noch auf der Welt, voll Hoffnungen und voll Leben, die Kinder von heute auf dieser Erde zu begrüßen.

Beten wir zu Gott, dass dort, wo die Seele der Krüppelakazie ist, sie um diese Wiege weis. Falls sie die Versöhnung mit sich selbst nicht geschafft hatte, hilft vielleicht diese Wiege, sich mit ihrem Schicksal, dass sie selbst gewählt hatte, zu versöhnen.

 

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